Walter Murch Filmton Artikel

Walter Murch Filmton Artikel Übersicht

Walter Murch Artikel über das Filmemachen und den Bildschnitt

Walter Murch Vortrag - From The Godfather to The God Particle

Walter Murch hält einen Vortrag über die Entwicklung von Film und übers Filmemachen am Sheffield Doc Fest Filmfestival. Der Vortrag dauert knapp 45 Minuten, danach folgt eine etwa gleichlanges Interview wo Walter viel über Film erzählt. Bei ca 55 Minuten spricht er über seine berühmte Filmschnitt Theorie 'In the Blink of an Eye'.

Walter Murch erklärt die Theorie von In the Blink of an Eye - Blinzeln

ANMERKUNG: Die Theorien zum Bildschnitt nach dem natürlichen Schnittrhythmus des Blinzeln hat Walter Murch in seinem Buch In the Blink of an Eye veröffentlicht. Dieses Buch ist ein Standardwerk für den Bildschnitt. Alle, die sich mit der Materie befassen, ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen.

Biologisch gesehen muss das Auge blinzeln um sich zu befeuchten. Das Augenlid ist also wie ein natürlicher Shutter, der beständig blinzelt.

Als Walter Murch den Film The Conversation geschnitten hatte, fiel im nach einiger Zeit auf, dass seine gewählten Bildschnitte immer kurz vor dem Blinzeln von seinem Hauptdarsteller Gene Hackman standen.

Zufällig stiess er nach einiger Zeit auf ein Interview mit dem Regisseur John Husten, der über's Blinzeln sprach. John Husten meinte darin zum Interviewer:

Walter Murch zitiert John Husten - über's Blinzeln 56.10

Schau mich an, jetzt schau da rüber zur Lampe. Und jetzt schau wieder zu mir.

Hast du gesehen was du gemacht hast? - Nein... - Du hast geblinzelt. Als du zur Lampe geschaut hast, hast du geblinzelt und als du wieder zu mir geschaut hast, hast du auch geblinzelt.
Das ist da, wo der Bildschnitt ist: Auf mein Gesicht, die Lampe, zurück auf dem Gesicht.

Da ging mir ein Licht auf. Von da an habe ich bewusst Leute in Gespräche verwickelt um zu schauen, wann sie blinzeln.

Walter hat bemerkt, dass der Rhythmus vom Blinzeln nichts mit dem biologischen Hintergrund des Befeuchten zu tun hat, sondern viel eher ein 'innerer Vorgang' des Gegenübers ist.

Walter Murch - über's Blinzeln 57.10

Leute blinzeln, wenn sie die Idee eines Gedankens verstanden haben. So in etwa: Ich habe es verstanden und speichere es nun mit einem Blinzeln auf meiner Festplatte.

Auf den Bildschnitt bezogen heisst das, der Bildschnitt ist ein Moment der sagt, ich hab's kapiert, es ist verstanden und wir sind jetzt bereit für die nächste Idee. Der Bildschnitt erfolgt aber nie auf das Blinzeln selbst, sondern kurz davor.

Walter Murch - über's Blinzeln 59.16

Nie, nie, nie sucht das Blinzeln und geht einfach zwei Frames zurück! Man muss spüren, wo der Schnitt ist.

Murch braucht in seinen Erklärungen oft Ausdrücke wie 'die Haut eines Films', das Rückgrat, die Körper eines Films... Gefragt auf die Körperlichkeit seines Filmschaffens antwortet Walter:

Walter Murch - über's Filme machen

Ein Film ist wie ein gefrorenen Tanz mit Rhythmen aus Bild und Klängen, das wir dem Publikum vorsetzen und von jedem Zuschauer selbst wieder interpretiert wird.

Warum Walter Murch beim Arbeiten steht, beantwortet Walter wie folgt:

Walter Murch - über's stehend Arbeiten

Wenn ich schneide, stehe ich. Nicht nur weil es gesünder ist, sondern weil ich den Rhythmus der Szene spüren möchte, wie auch ein Saxophonist, der zu seinem Solo aufsteht oder ein Dirigent, der stehend sein Orchester dirigiert.

Zu wem sich Walter bei einer Filmproduktion am meisten verbunden fühlt:

Walter Murch - Über Bildschnitt

Am meisten bin mit dem Film als grosses Ganzes verbunden. Dann mit dem Regisseur. Weil nicht alle Visionen und Ideen artikuliert werden können, betrachte ich es als meine Aufgabe, den Regisseur herauszufordern und zu provozieren. Mache ich einen Vorschlag und gehe in eine Richtung, kann der Regisseur intervenieren und eine andere Richtung vorschlagen, auf eine Weise, die er jetzt allenfalls artikulieren kann, zuvor jedoch nicht. So nährt man sich der Vision des Regisseurs.

Walter Murch spricht über die Verwendung von Musik im Film

Walter Murch über Speichelmusik und Musik im Film

Walter Murch - Über Musik im Film 1:12.48

Musik und Film hassen sich. Sie sind wie bei der Geburt getrennte Zwillinge. Beides sind hochmodulare Kunstformen mit grosser Wiederholung. Musik hat eine grosse Abstraktion, ist also modular, zeitlich und sehr abstrakt, während das Bild modular, zeitlich und hochspezifisch ist. Jedes der beiden Elemente schützt das andere von den eigenen Exzessen.

In einem Spielfilm, zum Beispiel in The Godfather spielt der Schauspieler Al Pacino die Rolle des Michaels. Beim Dreh wird er in einem bestimmten Licht und einem bestimmten Kostüm gefilmt. Legt man jetzt Musik darunter, kann man diese Figur universeller gestalten. Musik kann Emotionen tragen, die durch die Geschichte hervorgerufen werden und in eine Relation oder in Fokus gesetzt werden können. Eine Art Antriebshilfe für den Verarbeitungs- oder Verdauungsvorgang des Films.

Wer keine solche Unterstützungshilfe für seinen Film will und bestimmte Filme mit unerträglicher Spannung wollen keine solche Unterstützung, der darf keine Musik verwenden. Sogar die unheimlichste und spannendste Musik hilft bei diesem Vorgang.

Der Film Wages of Fear von Clouzot hat keine Musik im Film. 'M' von Fritz Lang hat keine Musik bis auf das Pfeifen in den Bergen das meint: Achtung der Mörder ist nah. Aber da ist keine Musik um die Spannung abzubauen um diese Verdauung des Films voran zu treiben. No country for old men von den Cohen Brothers hat aus dem selben Grund keine Musik. Amour hat keine Musik, schockierenderweise nicht einmal beim Abspann!

Musik wird aber oft dazu verwendet, um die Stille nach der Musik zu betonen. Die Stille sagt: Pass auf, dies ist etwas anderes!

Die Stille unterstreicht etwas, ändert einen Absatz oder beschert eine Retourkutsche. Wir nutzen diese Technik einige Male in Dokumentarfilm Particle Fever.

Wenn Musik missbraucht wird, kann es eine Art Steroid sein. Es gibt Filme, die nutzen Musik schamlos als Steroid und versetzen eine Injektion nach der anderen um ihre emotionalen Muskeln aufzublähen. Die Frage ist hier: ist das langfristig gut für diesen Film und ist das gut für den Film als Kunstform.

Ich bin nicht der Meinung, dass dies gut ist für den Film. Genauso wenig wie es gut ist, Steroide im Sport zu nutzen. Es gibt ein momentanen Schub, aber wird das langfristig halten? Ständig dudelnde Musik, egal ob im Spiel- oder Dokumentarfilm ist lästig und ist wie Speichel. Ich nenne es Speichelmusik, das dazu hilft, den Film irgendwie vorzuverdauen.

Walter Murch Dokumentarfilm Sight And Sound - The Cinema of Walter Murch

Der Dokumentarfilm Sight And Sound - The Cinema of Walter Murch befasst sich auf über 70 Minuten mit dem Schaffen vom Filmsound Editor und Sound Designer Walter Murch. Walter Murch spricht über die Filme The Conversation, Apocalypse Now, Touch of Evil, Jarhead, Ghost, The Unbearable Lightness of Being und weitere.

Walter Murch - über Geräusche und Sounds

Geräusche sind wie Personen, die ohne Pass um die Welt reisen können. Geräusche finden einen Weg sich unterhalb vom Radar der Wahrnehmung zu bewegen, so dass man von ihnen auf musikalische und emotionale Art berührt werden kann.

Weil es den Anschein macht, dass Geräusche aufgrund visueller Elementen entstehen - also von der Welt, die wir betrachten - tendieren wir dazu, die Geräusche als Tatsache zu akzeptieren und nicht als etwas, das Filmemacher erschaffen haben um uns emotional zu lenken.

Walter spricht über Filmmusik, die Magie der Wirkung von Geräuschen, über das Blinzeln und den Filmschnitt nach der Theorie von In the Blink of an Eye. Walter lässt dabei Höhen und Tiefen nicht aus und erzählt auch von seinem Rauswurf beim Film Tomorrowland.

Sight And Sound ist ein Film von Jon Lefkovitz und fasst viele Interviews und Vorträge von Walter Murch zusammen. Herzlichen Dank an Jon Lefkovitz, der Film Sight and Sound - The Cinema of Walter Murch ist gratis auf Vimeo anzuschauen.